Alles hat seine Zeit
Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde.
Prediger 3,1 LU17
Alles hat seine Zeit – ein gängiges Sprichwort für viele von uns. Gott schenkt uns ein gewisses Maß an Zeit, das uns hier auf dieser Welt zur Verfügung steht. Diese Zeit stellt der Himmlische Vater uns zur Verfügung, um an unserem Seelenheil zu arbeiten. Niemand weiß genau, wieviel Zeit einem auf dieser Erde noch bleibt oder wieviel Zeit uns mit geliebten Menschen noch bleibt. Wir können also dankbar für diese Zeit sein und sollten jeden Augenblick davon nutzen.
Verschwendete Zeit – Ist Langeweile eine Sünde?
Rüdiger Safranski schreibt in seinem Buch „Zeit“, dass man die Zeit oft nur dann bemerkt, wenn alle sonstigen Reize verschwinden. Wenn um uns herum scheinbar nichts passiert, dann bemerken wir den Fluss der Zeit selbst. Noch schlimmer wird es, wenn wir dabei auf die Uhr sehen. Quälend langsam bewegen sich die Zeiger weiter und uns wird einfach nur langweilig.
Im Mittelalter galt die Langeweile zu den schlimmen Sünden, schreibt Safranski weiter. Sie wurde als Trägheit des Herzens, Verstocktheit und als Verschlossenheit gegenüber Gott verstanden. Wo Gott ist, da wird Neues geschaffen, da herrscht Produktivität und Freude. In der Langeweile herrscht das Gegenteil vor, denn nichts wird erschaffen, niemand ist produktiv und auch die Freude fehlt gänzlich.
Das mag für manch einen vielleicht überspitzt klingen, doch wem langweilig ist, der lässt die Zeit, die von Gott gegeben ist, einfach verstreichen und verschwendet sie. Diese Zeit könnte man nutzen um jemanden anzurufen, der länger nicht mehr die Gottesdienste besucht hat. Man könnte sie auch nutzen, um Kranke zu besuchen oder einfach nur um zu beten. Streng genommen könnte man also wirklich sagen, dass Zeitverschwendung und Langeweile eine Sünde ist. Eine Sünde durch Unterlassen.
Alles hat seine Zeit – ein zweiter Blick auf die Bibellesung
Die Bibellesung im vergangenen Gottesdienst war eine Fortführung des Textwortes und zugleich eine Aufzählung vieler Tätigkeiten. Es hatte beinahe etwas Komisches, als die Vorleserin die Aufzählung mit gleichmäßigem Tonfall vortrug. Doch je mehr Tätigkeiten sie aufzählte, desto mehr Gedanken musste ich in diesen unscheinbaren Abschnitt aus dem Buch der Prediger hineininterpretieren:
…abbrechen hat seine Zeit,…
Im ersten Moment kam mir der Abbruch eines Hauses in den Sinn, doch genauso könnte auch gemeint sein, seine Zelte abzubrechen. Vielleicht endlich den unliebsamen Arbeitsplatz zu kündigen oder eine Beziehung mit einem Menschen zu beenden, der nur an sich selbst denk.
…Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat seine Zeit;…
Man könnte meinen, dass es hier vielleicht um eine Steinigung geht oder um ein Wortgefecht, für das die nötigen Argumente erst zusammengetragen werden müssen. Genauso gut könnte man dieses Wort so interpretieren, dass jemand Sorgen auf sein Herz auflädt und diese dann vertrauensvoll auf den Herrn wirft.
…zerreißen hat seine Zeit, zunähen hat seine Zeit;…
Bei diesem Vers denkt sicher jeder an ein Kleidungsstück. Sowohl im Alten, als auch im Neuen Testament zerreißen Menschen ihre Kleidung, um ihre Entrüstung zu zeigen. Eine mögliche Interpretation wäre also, dass es vorkommen kann, dass mich jemand schlecht behandelt und dann darf ich auch völlig zurecht beleidigt sein. Irgendwann kommt aber auch der Zeitpunkt, an dem ich damit aufhören muss gekränkt zu sein, um offen für eine Versöhnung mit den Nächsten zu sein.
Die Liste weiterführen
Auch wenn man viel in diese Zeilen hineininterpretieren kann, ist es auf der anderen Seite möglich diese Liste unendlich fortzuführen. Der Dienstleiter des vergangenen Gottesdienstes gab uns als Beispiel, dass es Zeiten gibt, in denen er sein Priesteramt bis ins hohe Alter weiterführen möchte. Aber es gibt auch Zeiten, in denen alles zu schwierig wird. Er fragt sich dann, was um ihn herum passiert und will am liebsten sofort hinschmeißen.
Egal welche Zeiten kommen, wir können uns sicher sein, dass der Herr uns beistehen wird. Wir dürfen uns immer an unseren Himmlischen Vater wenden, wenn schlechte Zeiten kommen. Aber wir dürfen ihn auch dann nicht vergessen, wenn wir gute Zeiten und Freude erleben dürfen.
Literatur
- Leitgedanken 2024/11, 06./07.11.2024, Alles hat seine Zeit, Verlag Friedrich Bischoff GmbH
- Safranski, R. (2015). Zeit: Was sie mit uns macht und was wir aus ihr machen. Deutschland: Carl Hanser Verlag GmbH & Company KG.