Das Gebet braucht Stille
Es begab sich aber zu der Zeit, dass er auf einen Berg ging, um zu beten; und er blieb über Nacht im Gebet zu Gott.
Lukas 6,12 LU17
In diesem Beitrag beschäftigen wir uns mit dem Thema „Gebet braucht Stille“. Der Bibelvers aus dem Lukasevangelium steht eng in Zusammenhang mit der Bergpredigt und beschreibt die Geschehnisse in der Nacht zuvor. Jesus suchte die Abgeschiedenheit auf einem Berg, um dort in Stille ein Gebet zu sprechen. Mit dem Wortlaut „er blieb über Nacht im Gebet zu Gott“ verdeutlicht Lukas die Intensität des Gebets auf eine ungewöhnliche Art und Weise, wie sie sonst an keiner anderen Stelle zu finden ist.
Auf dem Berg befindet sich Jesus im stillen Gebet, wo er in heiliger und unmittelbarer Gegenwart Gottes verweilt. Diese Andacht ist eine innige Anrufung, die zu einer tiefen Gemeinschaft mit Gott führt. Fritz Rienecker vermutet in seiner Erklärung des Lukasevangeliums in der Wuppertaler Studienbibel, dass er während dieses langen Gebetsringens wahrscheinlich alle seine Jünger einzeln seinem Vater dargestellt hat.
Am Ende dieser Nacht, als es Tag wurde, konnte er aus den Jüngern die zwölf Apostel auswählen. Die Apostel wurden also nicht zufällig ausgewählt. Es war eine Entscheidung, die Jesus von Gott errungen hatte.
Genauso sollen auch wir Christen heute, wann immer wir die Möglichkeit haben, für unsere Zwiesprache mit Gott einen ruhigen und abgeschiedenen Ort suchen, denn innige Zwiesprache mit Gott braucht die Stille.
Kraft aus dem Gebet
Das Gebet ist das Atmen der Seele (siehe auch https://herzensacker.de/predigtimpressionen/wege-zu-tieferem-frieden/#das-atmen-der-seele). Bei jedem Ausatmen, gibt unsere Seele etwas ab und beim Einatmen nimmt sie wieder etwas auf. Dieses Bild erinnert mich an eine Übung, die sich die neun Atemzüge der Reinigung nennt. Diese Meditationsübung besteht aus den folgenden drei Teilen:
Die ersten drei Atemzüge: Während des Einatmens stellt man sich vor, dass man grüne Energie einatmet und dabei Ruhe und Kraft aufnimmt. Während des Ausatmens visualisiert man, wie hellblaue Luft den Körper verlässt, was Probleme aus der Vergangenheit symbolisieren soll.
Die zweiten drei Atemzüge: Wieder nimmt man beim Einatmen die Ruhe und Kraft auf. Dafür lässt man beim Ausatmen die Probleme, die in Zukunft auf uns warten als rosafarbene Luft entweichen.
Die letzten drei Atemzüge: Auch bei diesem Teil nimmt man beim Einatmen wieder Ruhe und Kraft in sich auf und entlässt beim Ausatmen die Probleme der Gegenwart als schwarzen Rauch.
Es gibt Menschen, die setzen ein Gebet mit der Meditation gleich. Doch ein Gebet ist viel mehr als Meditation. Bei der Meditation sind wir mit uns selbst alleine und beim Gebet wissen wir, dass jemand zuhört. Es ist jemand da, von dem wir wissen, dass er uns auch in der Vergangenheit schon beigestanden hat.
Dennoch finde ich, dass diese Atemzüge der Reinigung eine guter Ansatzpunkt für unser Gebet sind. Das Gebet braucht Stille und eine würdige Haltung, damit wir uns mit Gott verbinden können. Dabei entsteht eine Verbindung zu ihm, aus der wir Ruhe und Kraft schöpfen können. Auch wir können unsere Sorgen die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft betreffend in seine Hand legen.
Wir können darauf vertrauen, dass er alles so lenkt und leitet, wie wir es brauchen. Sei es indem er uns die Last abnimmt oder indem er uns die Gelassenheit und Kraft gibt diese zu tragen.
Beten, auch wenn man nicht glaubt
Auch der Priester im vergangenen Gottesdienst weiß: Das Gebet braucht Stille. Aber gerade als Priester kommt er oft in Situationen, bei denen er vor vielen Menschen betet. Er erzählte davon, dass er manchmal vor Menschen betet, die nicht glauben. Er rät ihnen dann einfach nur still zuzuhören, was gebetet wird. Vielleicht kann man sich, auch wenn man nicht an Gott glaubt, trotzdem mit dem gesagten identifizieren. Diese Art des Zuhörens ist eine Art des Mitbetens. Wenn man den Worten des Beters lauscht, hat man Teil an dem Gebet und an der Zwiesprache mit Gott. Vielleicht kann derjenige dann zum ersten Mal die nähe Gottes in diesem Gebet spüren und die Herzenstür dieses Menschen wird einen kleinen Spalt geöffnet.
Offenheit vor Gott
Ein Bezirksevangelist der schon einige Zeit in Ruhe ist, sagte einmal: „Wenn du dich nicht traust etwas direkt anzusprechen, dann kannst du es auch in einem gemeinschaftlichen Gebet vor Gott tragen.“
Dieser Gedanke erschien mir im ersten Moment wirklich clever. Man spricht die Person nicht direkt an um die es geht, sondern sagt es dem lieben Gott. Natürlich ist es so, dass die Person es trotzdem hört und eigentlich ist es dasselbe, das Problem direkt anzusprechen.
Nur Gott allein weiß, wie Menschen auf diese indirekte Ansprache eines Problems im Gebet reagieren. Dennoch ist es immer besser, Probleme anzusprechen und nicht in sich hinein zu fressen. Wenn man sich nicht sofort traut unausgesprochene Probleme in einem gemeinschaftlichen Gebet vor Gott zu tragen, dann kann man in einem ersten Schritt dieses Problem in einem stillen Gebet vor den lieben Gott tragen und ihn um den erforderlichen Mut für das gemeinschaftliche Gebet bitten.